Die neue Brücke
Modernisierung für die Abwasserinfrastruktur von Winterthur
Der Neubau der Rohrbrücke über die Töss ist nicht nur eine technische Notwendigkeit, sondern auch ein Balanceakt zwischen ökologischen Anforderungen und den wachsenden Bedürfnissen einer expandierenden Region.
Die im Jahr 1947 erbaute Brücke über die Töss dient sowohl dem Verkehr als auch als Tragkonstruktion für die beiden Stahlrohre, die fast das gesamte Abwasser der Stadt Winterthur und von elf umliegenden Gemeinden zur ARA Hard führen.
Die Stahlrohre haben nach rund 80 Jahren das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht. Sie weisen auf der Innenseite starke Korrosionsschäden auf, die laut Materialgutachten bis Ende 2025 zu einem Versagen führen könnten. Ein solches Versagen hätte unkontrollierte Abwasseraustritte in die Töss zur Folge – ein unkalkulierbares Risiko für Bevölkerung und Umwelt.
Winterthur wächst, und bis 2035 ist der Anschluss von weiteren Gemeinden wie Bauma und Weisslingen an das Winterthurer Kanalisationsnetz geplant. Dann wird die ARA Hard das Abwasser von rund 300’000 Einwohnerwerten reinigen. Die Abwasserinfrastruktur diese Mengen aufzunehmen können – und dafür sind Rohre mit grösserem Querschnitt erforderlich.
Zu diesen Notwendigkeiten kommen naturschutzrechtliche Vorgaben: Bauen an Fliessgewässern unterliegt weitgehenden Beschränkungen und der Tössabschnitt zwischen dem Affenfelsen und der ARA gilt als ökologisch wertvoll.
Lösungsansätze: Zwischen technischer Innovation und ökologischer Rücksichtnahme
Ab dem Jahr 2012 evaluierte das Winterthurer Tiefbauamt in Zusammenarbeit mit Fachplanern verschiedene Varianten.
- Der Austausch und die Vergrösserung der Rohre unter der bestehenden Brücke schied rasch aus, da die geforderte Kapazitätserweiterung damit nicht möglich war.
- Den Zulaufkanal als Rohrleitung unter der Töss durchzuführen, wurde wegen des massiven Eingriffs in den ökologisch wertvollen Flussraum und der hohen Baukosten verworfen.
- Letztlich setzte sich die Brückenlösung mit Edelstahlrohren durch, da sie eine deutliche Kapazitätssteigerung ermöglicht und gleichzeitig einen einfachen Zugang für Wartungsarbeiten bietet.
Die neue Brücke: ein äusserst komplexes Projekt
Die Planungszeit für das Projekt nahm mehr als zehn Jahre in Anspruch - auch für Infrastrukturprojekte ein sehr langer Zeitraum. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Kein Betriebsunterbruch bei der ARA: Der Betrieb der Kläranlage, inklusive der Zu- und Wegfahrt über die bestehende Brücke muss zu jeder Zeit möglich sein. Jeden Tag werden mindestens sechs Lastwagenladungen Klärschlamm von der ARA Hard in die kantonale Klärschlammverwertungsanlage Werdhölzli in Zürich transportiert.
- Die Verkehrssituation: Die Weiachstrasse ist eine Hauptein- und -ausfallstrasse mit über 20'000 Bewegungen pro Tag. Für den rollenden Verkehr dürfen möglichst wenig Einschränkungen entstehen. Damit das Verkehrsaufkommen während allen Bauphasen bewältigt werden kann, muss der Fuss- und Veloweg phasenweise als stadteinwärts führende Verkehrsspur genutzt werden.
- Die Weiachstrasse ist eine nationale Sondertransportroute. Die geplante temporäre Verkehrsregelung muss einen Transport mit Maximalgewicht von 420 Tonnen zulassen. Das bedingte eine zusätzliche Verstärkung der Uferböschung neben dem Veloweg.
- Bauen an und über Fliessgewässern und in ökologisch wertvollen Gebieten ist durch zahlreiche Vorschriften seitens Bund und Kanton streng reglementiert. Das Bewilligungsverfahren involvierte eine grosse Zahl an kantonalen und kommunalen Amtsstellen und Interessengruppen.
- Die Baustelle liegt auf dem Boden der Gemeinde Neftenbach. Dank guter Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der Gemeindeverwaltung konnten das Tiefbauamt pragmatische und effiziente Lösungen finden.
Für die Gestaltung der neuen Brücke wurden verschiedene gestalterische Varianten erarbeitet. Letztlich fiel die Entscheidung zugunsten einer Form- und Farbgebung, die sich an der Umgebung
und an der Industriegeschichte von Winterthur und des Tösstals orientiert.