Wenn der Asphalt knackt
Die Asphaltknackerinnen unterstützen Winterthur auf dem Weg zur Schwammstadt. Auf privaten Grundstücken lassen sie gemeinsam mit den Eigentümer:innen asphaltierte Flächen aufbrechen, damit neue Lebensräume entstehen.
An der Oberseenerstrasse in Winterthur wird es plötzlich laut. Der Bagger rollt heran, der Abbruchhammer rattert, der Asphalt zittert – und dann macht es knack. In der Luft liegt noch der schwere Geruch von Asphalt, und doch ist er schon dabei, zu verschwinden. Stück für Stück bricht die graue Fläche auf. Bald soll hier ein Garten für die ganze Familie entstehen. Damit diese Vision Wirklichkeit wird, packt Michi von der Züst Grüngestaltung GmbH kräftig an und auch die Asphaltknackerinnen sind mit vollem Tatendrang dabei, beobachtet von den beiden Kindern der jungen Familie.
Solche Szenen spielen sich in Winterthur immer häufiger ab. Seit 2022 entsiegeln die Asphaltknackerinnen versiegelte Flächen, egal ob auf Hinterhöfen oder Parkplätzen. Was in Zürich begann, ist seit dem Frühling 2025 auch in Winterthur Realität. In Winterthur sind innert sechs Monaten bereits 21 Anfragen eingegangen. Eine beachtliche Zahl in so kurzer Zeit. Vier dieser Anfragen konnten die Asphaltknackerinnen bereits in Zusammenarbeit mit dem Tiefbauamt Winterthur und privaten Gartenbaubetrieben umsetzen und dabei schon 650 Quadratmeter Asphalt aufbrechen. Im Laufe des Herbsts werden voraussichtlich weitere 450 Quadratmeter dazukommen.
Warum entsiegeln?
Die persönlichen Gründe, eine Fläche zu entsiegeln sind vielfältig. Manche möchten Gemüse aus ihrem eigenen Garten ernten, andere wünschen sich mehr Grün im Hinterhof oder wollen einen versickerungsfähigen Parkplatz. So unterschiedlich die Beweggründe auch sind, alle führen uns der Zukunft einen Schritt näher: ein klimafittes und damit resilientes Winterthur, dank dem Schwammstadt-Prinzip. Jede entsiegelte und naturnahe begrünte Fläche ist ein Gewinn für die Natur für die Artenvielfalt und für uns Menschen.
Wie das konkret aussieht, zeigt ein Projekt an der Agnesstrasse in Winterthur: Hier wurde aus einem asphaltierten Parkplatz ein Garten. Die Gärtner der Rüegg AG haben den grauen Verbundstein-Belag entfernt, die Asphaltknackerinnen dokumentieren den Prozess. Heute wachsen hier Fenchel, Gurken, Salat und Kräuter.
Von der Einzelperson zur Schwammstadt Doch es geht nicht nur um engagierte Privatpersonen oder Unternehmen, die einen Beitrag leisten wollen. Auch Städte und Gemeinden spielen eine entscheidende Rolle für die Zukunft unserer Lebensräume. Winterthur etwa verfolgt das Ziel, eine Schwammstadt zu werden – also eine Stadt, die Regen aufnehmen kann wie ein Schwamm. Das bedeutet, dass Regenwasser nicht einfach in die Kanalisation abfliesst, sondern direkt im Boden versickert und dort gespeichert wird. Von diesem Wasserspeicher profitieren Bäume und Pflanzen, weil sie auch in trockenen Zeiten darauf zugreifen können. Durch das Entsiegeln geschieht genau dies: Das Wasser kann im Boden versickern, die Umgebung kühlt sich ab, und es entstehen wertvolle Lebensräume für Tiere und Menschen.
Damit solche Projekte gelingen, braucht es Partnerschaften. In Winterthur etwa finanziert das Tiefbauamt die Beratung, während die Mobiliar die Kosten des Transports und der Entsorgung des Betons und Asphalts übernimmt. Nur dank dieser Unterstützung können die Asphaltknackerinnen ihre Arbeit vor Ort umsetzen.
Die Oberseenerstrasse blüht auf
An der Oberseenerstrasse hat sich schon Einiges getan. Mit geübten Handgriffen lockert Michi den Beton, wo es nötig ist, bevor Schaufel und Bagger den Asphalt entfernen. Stück für Stück verschwindet das Grau. Bald wird hier nicht mehr Beton dominieren, sondern ein Garten, der blüht und zum Verweilen einlädt.
Die Asphaltknackerinnen helfen beim Entsiegeln mit, vor allem aber dokumentieren sie das Geschehen, um die Menschen für das Thema Entsiegeln zu sensibilisieren. Denn ihre Arbeit endet nicht beim Aufbrechen von Asphaltflächen. Es geht ihnen ebenso darum, das Bewusstsein in den Köpfen der Menschen zu verändern. Schon eine kleine grüne oder besser noch heimisch bunt bepflanzte Fläche kann viel bewirken für die Natur und die Menschen. Ihr Ziel ist es deshalb, Asphalt und veraltete Denkmuster zu knacken.