Saatkrähe
2012 wurden die ersten Saatkrähen in Winterthur entdeckt. Seither vergrössern sich ihre Bestände in Winterthur laufend und es bilden sich feste Brutkolonien. Für zoologische Sozialstudien sind Saatkrähenkolonien äusserst interessant, zumal das Zusammenleben der Saatkrähen in der Kolonie und die Nachbarschaftsquerelen stark an das menschliche Zusammenleben erinnern. Für Schlaf suchende Anwohnerinnen und Anwohner kann das jedoch eine Belastung sein, denn der Saatkrähentag beginnt etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang und endet erst nach dem Eindunkeln.
Ähnlich wie in anderen Städten der Schweiz, wie zum Beispiel in Basel und in Bern, müssen wir lernen, mit den Saatkrähen zu leben. Eine vollständige Vertreibung aus der Stadt ist aussichtslos.
Bei Reklamationen bezüglich Saatkrähen wird die Situation vor Ort auf Grundlage neuster Erkenntnisse beurteilt und gegebenenfalls notwendige Massnahmen ergriffen.
Portrait
Auf den ersten Blick sind Rabenkrähen und Saatkrähen nur schwer zu unterscheiden. Die Saatkrähe hat jedoch einen unbefiederten Schnabelansatz, der dadurch hellgrau schimmert. Zudem ist ihr Schnabel spitzer und ihr Gefieder schimmert purpurfarben.
Oft wird die Saatkrähe mit der Rabenkrähe verwechselt und fälschlicherweise des Raubes von Eiern und Jungvögeln, sowie des Aufreissens von Abfallsäcken bezichtigt.
Während die Rabenkrähe einzeln paarweise brütet, bildet die Saatkrähe Brutkolonien. Auch in ihrer Ernährungsweise unterscheiden sich die beiden. Die Rabenkrähe ist bekannt dafür, dass sie als Allesfresser auch gezielt nach Essensresten sucht und dabei auch Abfallkübel ausräumt und Abfallsäcke aufreisst. In Gärten rauben sie auch Nester von kleineren Singvögeln aus. Die Saatkrähe ernährt sich jedoch ausschliesslich von Saatgut und Getreidekeimlingen sowie von Insekten. Sie kann in der Landwirtschaft durchaus einen Schaden anrichten, wenn sie gezielt den Reihen von Keimlingen nachgeht und einen nach dem andern aus dem Boden pickt. Die Saatkrähe bringt der Landwirtschaft aber auch einigen Nutzen, denn sie frisst viele Insekten, die für Kulturen schädlich sind.
Bemerkenswert an der Saatkrähe ist ihr geselliges Leben. Sie brütet in Kolonien. In einem einzigen Baum werden bis ein Dutzend Nester oder mehr gebaut, und oft werden mehrere Bäume nebeneinander besiedelt.
Beim gemeinschaftlichen Leben auf engem Raum ist die Kommunikation sehr wichtig. Wer sich Zeit nimmt, den Saatkrähen zuzuhören, stellt bald fest, dass sie über ein vielfältiges Repertoire an Rufen verfügen. Sie locken, balzen, schimpfen und warnen.
Saatkrähen gehen lebenslange Ehen ein und erkennen ihren Lebenspartner von weit her an seiner individuellen Stimme. Natürlich gibt es in diesen dicht besiedelten Wohngemeinschaften auch Streit. Nistmaterial wird gestohlen, Weibchen werden abgeworben, manchmal sogar Eier in fremde Nester gelegt. Solche Querelen führen natürlich zu lautstarkem Gezeter. Für zoologische Sozialstudien sind Saatkrähenkolonien deshalb äusserst interessant. Jedoch können die Saatkrähen für Schlaf suchende Nachbarinnen und Nachbarn zu einer Belastung werden, denn der Saatkrähentag beginnt etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang und endet erst nach dem Eindunkeln.
Saatkrähen durch das ganze Jahr
Die Schweiz ist auch Winterquartier für Saatkrähen aus Nordosteuropa. Die Vögel treffen im Spätherbst ein und bleiben bis im März. Diese Wintergäste halten sich vor allem in den Tieflagen des Mittellandes und der Nordwestschweiz auf. Die grössten Ansammlungen von gegen 10‘000 überwinternden Saatkrähen kennt man aus der klimatisch milden Gegend von Basel.
Die Brutbäume werden ab Dezember, zunehmend aber im Januar und Februar wieder aufgesucht. Im März beginnen die Paare mit dem Nestbau. Kunstvoll werden dürre Zweige zu einem Nest verbaut. Dabei fallen auch Zweige oder Kot auf den Boden. Im April werden bis zu vier Eier ausgebrütet und im Mai die Jungen aufgezogen. Wenn die Männchen die brütenden Weibchen füttern oder später beide Eltern ihrem Nachwuchs Nahrung bringen, wird es an den Kolonien laut. Die Bettelrufe der Jungen und Weibchen klingen heiser und auffordernd. Jungvögel steigen auf den Nestrand, drehen sich um und koten über den Rand des Nests. Wenn unter den Nestern Autos parkiert sind, Trottoirs vorbeiführen oder Bushaltestellen stehen, kann es jetzt zu Unannehmlichkeiten kommen.
Ende Juni sind normalerweise die letzten Jungvögel flügge. Anschliessend streifen Jung- und Altvögel zur Nahrungssuche meist in Schwärmen und oft in Gesellschaft anderer Rabenvögel umher. Abends beziehen sie grosse gemeinschaftliche Schlafplätze. Saatkrähen halten sich in dieser Zeit tagsüber meist ausserhalb der Agglomerationen auf, vermehrt aber auch in der Nähe der Brutkolonien. Besuche an den Nestbäumen kommen vom Sommer bis zum Spätherbst ebenfalls vor und häufen sich im September. Die Saatkrähen zeigen dann ein ähnliches Verhalten wie im Frühling. Einige beginnen sogar Zweige abzubrechen und so etwas wie Nester zu bauen. Es wird vermutet, dass dieses Verhalten mit der Tag-und-Nacht-Gleiche von Herbst und Frühling zusammenhängt.
Entwicklung der Saatkrähenpopulation
Der ursprüngliche Lebensraum der Saatkrähe hat sich im letzten Jahrhundert stark verändert. Als ursprünglicher Kulturlandvogel findet die Saatkrähe in den heutigen Landwirtschaftsgebieten kaum noch die erforderlichen Gehölzstrukturen für ihre Brutkolonien: hohe, stark verzweigte Bäume, wo sie in den feinen Ästen ihre Nester bauen können. In den Städten haben die Saatkrähen genau diese Ersatzstrukturen wiederentdeckt. Es erstaunt deshalb nicht, dass die ersten Brutversuche in der Schweiz in einer Stadt geschehen sind.
Erste Brutversuche der Saatkrähe in der Schweiz fanden 1963 in Basel statt. Aufgrund ihrer Seltenheit wurde die Saatkrähe auf die Rote Liste der gefährdeten Vogelarten gesetzt. Im Gesetz über die Jagd und Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG) wurde die Saatkrähe 1986 geschützt und deren Abschuss verboten. Die Bestände haben sich in der Zwischenzeit stark erholt und die Saatkrähe hat mittlerweile einige Städte in der Schweiz besiedelt.
2010 wurde die Saatkrähe dann in der Roten Liste der gefährdeten Arten neu als nicht gefährdet eingestuft. Im Zuge der Änderung der Jagdverordnung wurde die Saatkrähe 2012 deshalb wieder zu einer jagdbaren Art. Zwischen dem 16. Februar und dem 31. Juli herrscht allerdings Schonzeit.
2012 wurde ein erstes Saatkrähenpaar am Max-Bill-Platz beim Brüten beobachtet. 2014 wurden dann 3 Paare beim Münzkabinett bei der Brut beobachtet. Diese Kolonie ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und zählte im Frühling 2023 bereits 38 Brutpaare.
2016 ist eine weitere Kolonie an der Ecke Wülflingerstrasse/Neuwiesenstrasse entstanden, mit über 10 Brutpaaren. Diese Kolonie wuchs in den Jahren 2017 bis 2019 relativ stark an. Seither nimmt dort die Anzahl Brutpaare jedoch wieder ab. Ausserdem sind in der Stadt Winterthur 2017 noch weitere neue Brutstandorte an der Weberstrasse und bei der Kanzleiturnhalle hinzugekommen. Im Frühjahr 2023 zählt die Stadt Winterthur 9 Brutstandorte mit insgesamt 236 Nestern.
Spannend ist die Baumartenwahl. Während in anderen Städten wie Basel und Bern vor allem die Platane als Brutbaum gewählt wird, scheinen die Winterthurer Saatkrähen Buchen zu bevorzugen.
Umgang mit Saatkrähen
Die Entwicklung in anderen grossen Städten wie Bern und Basel zeigen deutlich, dass die Saatkrähen in Zukunft die Stadt vermehrt als Wohngebiet beanspruchen werden. Dieser Trend kann nicht gestoppt werden. Grundsätzlich sollen die Tiere in Ruhe gelassen werden. Auch lassen sich Saatkrähen nur sehr schwer von ihrer Kolonie vertreiben. Störungen an Brutkolonien führen in der Regel zur Gründung von neuen Kolonien, sogenannten «Splitterpopulationen». Vertreibungen sollen deshalb auf ein Minimum reduziert werden.
Die meist ressourcenintensiven Massnahmen werden daher nur an Orten durchgeführt, wo aus speziellen Gründen ein hohes öffentliches Interesse besteht, die Tiere fernzuhalten.
Aufgrund von neuesten Erkenntnissen werden – falls angebracht – spezifischen Massnahmen im Umgang mit den Saatkrähen definiert. Die Stadt Winterthur führt – falls überhaupt – grundsätzlich nur in stadteigenen öffentlichen Anlagen Massnahmen durch. Bei weiteren öffentlichen oder privaten Anlagen bietet Stadtgrün Winterthur eine Beratung im Umgang mit den Tieren an.
In verschiedenen Städten wurden etliche Versuche gestartet, die Saatkrähen zu vergrämen. Meistens sind solche Massnahmen erfolglos oder gar gesetzlich verboten. Nachfolgend ein Überblick über verschiedene Massnahmen und die Erfahrungen, die damit gemacht wurden.
Ganz Wichtig: Während der Brutzeit vom 16. Februar bis 31. Juli sind Saatkrähen gesetzlich geschützt. Eine Vergrämungsaktion, welche zu einem Abbruch der Brut führt ist demnach gesetzeswidrig und strafbar.
Bäume Zurückschneiden
Massnahme: Durch selektives Entfernen von Ästen, welche sich zum Anlegen von Nestern besonders eigenen, wird der Nestbau verhindert. Durch das Zurückschneiden wird jedoch das Feinastwachstum angeregt. Die Bäume sind also in der Regel in den Folgejahren fast noch attraktiver für den Nestbau.
Erfahrungen: Das Schneiden der Bäume hat an gewissen Orten funktioniert, an anderen nicht. Es ist deshalb nicht garantiert, dass die Massnahme tatsächlich wirkt. Zudem ist der Aufwand enorm, denn die Äste von allen potentiellen Nistbäumen müssen regelmässig geschnitten werden. Jeder Schnitt ist auch ein Stress für die Bäume und kann zu einem frühzeitigen Absterben des Baumes führen. Es wird deshalb empfohlen, zwischen zwei Baumschnitten mehrere Jahre verstreichen zu lassen.
Vertreiben mittels Prädatoren-Attrappen
Massnahme: In die Bäume werden Eulen gehängt, deren Flügel mechanisch betätigt werden können. Die Simulation eines natürlichen Prädators der Saatkrähe soll die Tiere verjagen.
Erfahrungen: Wichtig ist die Zufälligkeit der Bewegungen – allenfalls verbunden mit Eulenrufen. Zudem muss der Vogel bereits beim ersten Eintreffen der Krähen im Frühling «bewegt» werden. Haben die Krähen bereits mit dem Nestbau/Nestbezug angefangen, ist diese Massnahme wirkungslos.
In Basel und einigen deutschen Städten hat diese Methode überhaupt nicht funktioniert. Die Tiere haben sich nur ganz kurz aus der Ruhe bringen lassen und sich dann an den «Störenfried» gewöhnt; in Bern wird diese Methode aber offenbar erfolgreich angewendet.
Vertreiben mittels Lärm
Massnahme: In die Bäume werden Klatschen oder Tröten mit einem manuellen Auslöser gehängt. Passanten können beim Vorbeigehen die Auslöser betätigen, damit eine «Zufälligkeit» geschaffen wird. Maschinelle Betätigung der Lärmquellen haben sich als nutzlos herausgestellt.
Erfahrungen: Das Vertreiben funktioniert in der Regel nur äusserst kurzfristig. Bereits nach ein paar Stunden bis spätestens einer Woche wissen die Tiere, dass sie vom Lärm nichts zu befürchten haben und lassen sich nicht weiter stören.
Einsatz von Drohnen
Massnahme: Mit Drohnen werden die Tiere in den Bäumen angeflogen. Dies soll die Saatkrähen verscheuchen. Der Effekt kann mit Lichtern und Lärm noch verstärkt werden.
Erfahrungen: Drohneneinsätze können die Tiere zeitweilig vertreiben. Sobald die Saatkrähen jedoch mit dem Nestbau angefangen haben, ist diese Massnahme in der Regel verboten. Die Tiere merken sehr bald, dass sie von diesem Gefährt nichts zu befürchten haben und lassen sich nicht stören. In Extremfällen haben Saatkrähen schon Drohnen in der Luft attackiert und zerstört.
Drohneneinsätze mit Drohnen ab 500g Gewicht sind in grossen Teilen des Winterthurer Stadtgebietes verboten!