Kunstankäufe 2021
Statement des Künstlers zum Werk
"Die angekaufte Fotografie gehört zur Serie «Waldlichtung», die im frühen Frühling 2020 an einem Ort entstanden ist, der sich 11 Jahre zuvor - bei einem sonntäglichen Familienausflug - in mein Gedächtnis eingeprägt hatte. Die Serie zeigt Baumstämme mit eingewachsenen Weidezäunen, während ein karger, blätterloser Wald den Hintergrund bildet. Infolge einer geringen Schärfentiefe liegt der Fokus auf der Ebene der Stacheldrähte, der Wunden, und Narben der Baumrinden."
rafaelgrassi@gmx.ch / Instagram: #rafaelgrassihidalgo
Statement des Künstlers zum Werk
"Die Zeichnung entstand anlässlich meiner Beschäftigung zum Bildprojekt „Das letzte Abendmahl“. Es ist eine autonome Zeichnung welche (neben anderen Zeichnungen) ein Entwurf für die Textilzeichnung für die Gestaltung des Tischtuches auf dem Bild „das letzte Abendmahl ist."
Statement zum Werk
"Als Michael Etzensperger im Frühjahr 2020 sein Atelierstipendium in Berlin begann, hatte er nur wenige Wochen Zeit, um die Stadt in ihrer alltäglichen Dichte zu erleben. Danach kappte das Coronavirus den pulsierenden Energiestrom und brachte das kulturelle Leben weitestgehend zum Erliegen. Was also tun in einer Stadt, von der man sich Anregungen erhofft hatte, und die nun auf den ersten Blick nicht mehr als verschlossene Türen und leere Strassen zu bieten hat? Der auferzwungene Stillstand führte dazu, dass Etzensperger die erste Zeit seines Aufenthalts hauptsächlich im Atelier verbrachte. Die Schwermut der Isolation ist dem Film „nature is healing“(2020) anzumerken. In ruhigen, detailfokussierten Bildern zeigt der Film Vögel im vermeintlichen Grün der freien Natur, gefilmt im Hinterhof aus dem Fenster des Ateliers. Die Tonspur lieferte der Künstler Philipp König. Passend zur Gesamtsituation pfiff er Vogelstimmen via Telefon ein, dazu ist im Hintergrund leise das Rauschen des Kühlschranks zu hören. Der Titel „nature is healing“ nimmt dabei augenzwinkernd auf Medienmeldungen Bezug, die im Frühjahr 2020 anhand spektakulärer Beispiele wie der Rückkehr von Delphinen nach Venedig die schrittweise Heilung der Natur behaupteten."
Text: Julian Denzler
Hannes Schüpbach
*1965, Malerei, Installation, Performance, Film
Angekauftes Werk:
Explosion der Wörter
Nr. 19 / "Ancient sunlight..." und Nr. 20 / "When I see you..."
gerahmte Farbfotografie, Ed. 2/3 + 1AP, mit Text von Stephen Watts in Siebdruck auf Glas, 55.4 x 81.9 x 4 cm
Ankauf:
Einzelausstellung 2021
Statement des Künstlers zum Werk
Es handelt sich um eines von 12 Bildpaaren aus der Installation «Explosion der Wörter / Explosion of Words» von Hannes Schüpbach. Diese wurde erstmals im Literaturmuseum Strauhof (als «Wild Card 12», 9.–20. Juni 2021) ausgestellt und besteht aus 24 gerahmten Fotografien mit auf die Gläser der Rahmung gedruckten Gedichtausschnitten von Stephen Watts, die Schüpbach aus dessen Buch «Ancient Sunlight» (London, 2014) ausgewählt hat. Die Installation ist dem Dichter Stephen Watts (London, *1952) gewidmet.
Die «kinematographische Fotoinstallation», wie sie Schüpbach nennt, dehnt sich friesartig über 24 Meter aus. Er antwortet mit diesem Werk auf die gelebten Räume des Londoner Dichters und Sprachaktivisten Stephen Watts zwischen ausufernder Forschung über Dichtung, Tätigkeit als Übersetzer und dem Schreiben eigener, bestürzend unmittelbarer Texte.
In der Wohnung von Stephen Watts in Whitechapel, East London, wo er seit 1976 lebt, begegnen wir einer Art, behutsam mit den Dingen umzugehen, die an die Lebensweise eines in die Grossstadt verpflanzten Berglers denken lässt, übertragen auf sein Leben als Dichter, Übersetzer und Bibliograph. Dazu gehören das Sammeln von potentiell Brauchbarem, die Verwendung von Gefundenem und der Respekt gegenüber den vielfältigen Sedimenten der eigenen Tätigkeit.
Die Wohnung enthält und ist in sich ein Archiv: ein Archiv wichtiger Bücher (vor allem Gedichte aus der ganzen Welt) wie auch von Dingen, die zusätzlich zu diesen zwischen dem Gedanklichen und dem Materiellen stehenden Objekten gesammelt und genutzt werden. Die gesamte Konstellation der Dinge in diesen Räumen bildet eine ununterbrochene Tätigkeit und Präsenz über viele Jahre ab. Die rhythmische Anordnung der 24 an diesem besonderen Ort aufgenommenen Fotografien leitet sich aus dem Hinauf und Hinab der Bewegungen und der Sprache im doppelstöckigen Wohn- und Arbeitsraum des Dichters ab.
Für die Ausstellungen im Strauhof (Juni 2021) und in der Nunnery Gallery, Bow Arts, in London (Januar – April 2022) wurde der Fotofries über einer wandfüllenden Tapezierung mit Buchseiten aus Stephen Watts’ «A Biblio-graphy Of Modern Poetry In English Translation. A Work In Progress» (2021) gehängt, von der Schüpbach zu diesen Ausstellungen eine erste integrale Prototyp-Edition auf Papier herausgab. Als immenser «Sprachspeicher» erinnert diese Bibliographie an die erneuernde Kraft des Austauschs, die im Übersetzen liegt.
Matthias Gabi
*1981
Konzeptuelle Fotografie, Lecture Performance
Angekauftes Werk:
Repro (Nouveau Larousse Illustré 1989), 2019/21
EPSON Ultrachrome Pro Pgment Inkjet Print auf Hahnemühle Photo Rag Ultrasmooth 305g Büttenpapier, gerahmt mit entspiegeltem Museumsglas UV, 102 x 72 cm
Ankauf:
Dezemberausstellung 2021
Saaltext zum Werk:
Zwölf Plakatständer mit Betonfuss sind paarweise zwischen den Bäumen auf dem Lindenhof angeordnet und zeigen beidseitig aufgezogene Motive aus der Serie Repro (seit 2018) von Matthias Gabi. Die Presseerzeugnissen, Lexika, Kunstkatalogen oder Produktebroschüren entnommenen Vorlagen sind Bild-Text-Kombinationen, die der Künstler fotografisch reproduziert hat. Für die Gasträume 2019 hat er Repro um neue Sujets erweitert. Die wechselvolle Geschichte des schattigen Lindenhofs geht bis zu den Kelten zurück. Heute ist die älteste öffentliche Grünanlage von Zürich bei Touristen als Aussichtspunkt ebenso beliebt wie bei den Bewohner_innen der Stadt, die sich zum Pétanque- und Schachspielen treffen oder kurz verweilen. Im Gegensatz zur Präsentation im Ausstellungsraum sind die Bilder aus Repro hier frei und lose zwischen den zahlreichen Linden platziert. Mit den Plakatständern sind sie auf einem Trägermedium angebracht, das eigentlich einem kommerziellen Zweck dient und hier die vertikale Struktur der über 50 Bäume formal aufnimmt. Die paarweise Anordnung ist an das Prinzip der Doppelprojektion angelehnt, die vom Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin (1864–1945) ausgehend die Praxis der Wissensvermittlung in der Kunstgeschichte bis heute prägt. Auf dem Lindenplatz interagieren die Sujets mit neuen und alten Nachbarn. Auf formaler und
inhaltlicher Ebene lassen sich Kontraste, Verbindungen oder Entsprechungen ausmachen, denen ein Potential für neue Narrative innewohnt. Die Motive als statische Kondensate laden die Besucher_innen des Lindenhof zu einem zweiten Blick ein, aber auch dazu, durch diesen «Bilderwald» hindurch zu wandeln und sich auf visuelle Um- und Abwege einzulassen. Durch den Transfer von reproduzierten Gebrauchsfotografien über Archivfotografie auf Plakate im öffentlichen Raum wird der Zweck, Absender und ursprüngliche Kontext der Motive uneindeutig. Repro ist eine Setzung, die subtile Irritation schafft. Matthias Gabis Interesse gilt Bildern, denen eine illustrative Aufgabe zukommt, etwa
Presse-, Werbe- oder Produktefotografien, wie sie einem täglich begegnen und die in Druckerzeugnissen bereits in prädigitalen Zeiten massenweise verbreitet wurden. Archive oder Bibliotheken digitalisieren manche dieser Bücher, Zeitschriften, Prospekte oder Flyer – vieles aber nicht. Durchschnittliches, etwa Lexika, Warenkataloge oder Werbebroschüren, wird dabei kaum berücksichtigt.1 Es scheint gar, dass nicht digitalisiertes nicht existiert, vergessen geht. Diese Selektionsprozesse, die Wiederholung gleichförmiger Bildwelten und der Überschuss interessieren Matthias Gabi, wobei er nicht zwischen Hoch-, Populär- und Konsumkultur unterscheidet. Ihren Anfang nahm die Werkgruppe Repro in der bisher grösste Einzelausstellung von Matthias Gabi im Kunsthaus Langenthal im Jahr 2018. In einem subjektiven Prozess wählt er einzelne Seiten aus Druckerzeugnissen, die ihn sowohl inhaltlich als auch formal reizen und die er zugleich als repräsentativ für die jeweilige Publikation oder das jeweilige Genre erachtet. Diese Seiten reproduziert er in einem aufwendigen Verfahren in der Manier neuester digitaler Reproduktionsfotografie wie sie in Archiven zur Digitalisierung von Kulturgütern eingesetzt wird. Indem die Fotografien ausgedruckt und somit materialisiert werden, werden die Dokumente zu Bildern.2 Repro folgt einem bildwissenschaftlichen Ansatz im Sinne der Bildarrangements des Kunstwissenschaftlers und Kulturhistoriker Aby Warburg (1866–1929), der heute durch die Negierung klassischer (Bild-)Hierarchien im digitalen Zeitalter wieder äusserst aktuell ist. Auf einem eigens dafür erbauten Reprotisch werden die Dokumente auf olivgrünem Linoleum und frontal von oben fotografiert sowie in Farbe und Kontrast originalgetreu wiedergegeben.
Matthias Gabi rückt die reproduzierten Vorlagen in die Nähe von Archivdokumenten und verweist auf die kanonbildende Funktion von Reproduktionen in der Verbreitung und Konservierung von Wissen. Mit dem formal strengen Konzept eignet er sich über die Vorlagen hinaus ein Archivierungsverfahren an, verzichtet jedoch auf die in Archiven übliche massstabgetreue Abbildung, sondern wählt den Bildausschnitt sowie die Kadrierung selbst. Auch reproduziert er nicht ganze Hefte oder Bücher, vielmehr wählt er etwa die Titelseite oder eine Einzel- oder Doppelseite des Ausgangsmaterials. In diesen persönlichen Eingriffen in Bezug auf die Auswahl, Grösse und Bildgestaltung schreibt sich Matthias Gabi ein. Er entnimmt die Sujets einer unbestimmbaren Masse an Druckerzeugnissen und verleiht ihnen durch die starke Vergrösserung eine gesteigerte Aufmerksamkeit.
Darüber hinaus sind die digitalen Fotografien der Werkgruppe Repro aufschlussreiche Konzentrate der drucktechnischen Bildkulturen des 20. und 21. Jahrhunderts und reflektieren gleichzeitig ihren ambivalenten Status zwischen Bild und Dokument. Es sind denn auch wiederholt Vorlagen, die (amateur-)fotografische Fragen oder Anleitungen zeigen, solche mit reproduktionsbezogenen Inhalten oder szenografischen Themen, seien
es Schaufensterdekorationen oder Präsentationsmodi aus dem Kunstbereich. Matthias Gabis Arbeitsweise reproduziert mitunter überkommene oder stereotype Sichtweisen, die einerseits durch ihre Inhalte und Gestaltung eine stark von der jeweiligen Zeit geprägte Sprache sprechen und andererseits durch die Wiederholung und den neuen Kontext aber auch als solche exponiert werden.
Kuratiert von Danniela Minneboo und Anna Francke für visarte zürich
Statement der Künstlerin zum Werk:
Diese Bilder habe ich gemalt als ich im Frühjahr 2020 in Belgrad war. Während der ersten Welle der Corona-Pandemie gab es in Serbien harte Ausgangssperre und ich war 7 Wochen allein in der Wohnung. Ich litt einerseits unter der Einsamkeit, andererseits fand ich grosse Selbstbefriedigung und Konzentration in meiner Arbeit.Diese Bilder habe ich gemalt als ich im Frühjahr 2020 in Belgrad war. Während der ersten Welle der Corona-Pandemie gab es in Serbien harte Ausgangssperre und ich war 7 Wochen allein in der Wohnung. Ich litt einerseits unter der Einsamkeit, andererseits fand ich grosse Selbstbefriedigung und Konzentration in meiner Arbeit.
www.likanuessli.ch
Statement der Künstlerin zum Werk:
Am Anfang dieser Arbeit steht eine Fotografie, die ich digital mit dem «Wischfinger” bearbeitet und anschliessend in Öl auf Leinwand malerisch umgesetzt habe. Dabei interessiert mich u. a. die Diskrepanz zwischen dem schnellen, vermeintlich zufälligen, zerstörerischen «Wisch» und der anschliessend akribischen Arbeit an dessen malerischen Umsetzung.
Der «Wisch» verselbständigt sich, entwischt in überdimensionaler Grösse dem rechteckigen Bildformat und erhält so eine eigenständige Existenz und Präsenz. Das Motiv ist aus der Leinwand ausgeschnitten und direkt auf der Wand angebracht.
Statement der Künstlerin zum Werk:
Gesso Weiss, eigentlich ein Grundierungsmittel, Öl, eigentlich ein Bindemittel, Wasser, Gouache, hier auf der Rückseite des Gewebes, sowie die rohe Baumwolle spielen ihre eigenen Rollen. Während Corona macht es mir Freude mit Klebeband der Farbe Einhalt zu gebieten, in Bezug auf die letztes Jahr gescheiterte „Containment Strategie“.
Statement der Künstlerin zum Werk:
Das Spülen der Nase hat eine reinigende Funktion und stammt aus fernöstlichen Kulturen. In der Videoarbeit <White Square> verwende ich Kuhmilch, statt wie üblich Wasser. Der weisse, lebensspendende Saft aus der Tetrapackung läuft über die Nasengänge und tröpfelt anschliessend langsam in ein Trinkglas, welches auf dem Tisch davor platziert ist. Zu hören ist ein leises Plätschern der Milch. Lebensmittel als künstlerisches Material, sowie die immer wiederkehrende Frage «Wo steht das Tier und wo der Mensch?» nehmen in meinem Schaffen einen zentralen Platz ein. Wichtig in dieser Videoarbeit ist zusätzlich der Aspekt der Zeit. Das symmetrisch komponierte Bild erinnert an eine Sanduhr. Einem perpetuum mobile gleich, läuft die Milch immer wieder aufs Neue durch diese „Maschine“.
Die Videoperformance konfrontiert auf direkte und körpernahe Weise.
Statement der Kunstschaffenden zum Werk:
Die Größe der beiden Handstäbe orientiert sich an den symbolhaften Handgesten früherer Richterstäbe. Es handelt sich bei den Hand-Objekten um Keramik, ein poröses, helles Material mit noch geringerer Bruchfestigkeit als Knochen. In dem dazugehörigen Video hält Vivien Meyer, Bewegungstherapeutin, die fragilen 1m langen Keramikarme fest. Diese wirken durch die Bildmanipulation schwebend und werden dennoch durch Viviens Bewegungen gesteuert. Viviens Übung sollen dazu dienen, in sich zu kehren und so in Einklang mit sich und ihrem Umfeld zu finden. Zugleich ist sie permanent darauf bedacht, die Keramiken nicht durch eine unachtsame Bewegung zu zerbrechen. Vergisst sie sich für einen Moment oder gerät zu sehr zu sehr in Trance, drohen die Armerweiterungen zu zerbrechen. Die kleinen Keramik Finger strecken sich steif nach dem Boden und zwingen Vivien zur Vorsicht: Ein Kampf um Entspannung und Körpergefühl.