Kommunale Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben»
Mit Beschluss vom 1. April 2020 hat der Stadtrat Winterthur festgestellt, dass die zur Vorprüfung eingereichte Volksinitiative «Ein Lohn zum Leben» den einschlägigen Vorschriften des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) entspricht und gleichzeitig die amtliche Veröffentlichung angeordnet.
Titel der Volksinitiative
«Ein Lohn zum Leben»
Text
«Der Gemeinderat, gestützt auf Artikel 28 Abs. 1 Ziff. 6 der Gemeindeordnung beschliesst:
Verordnung über den sozialpolitischen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Art. 1 Zweck
1 Diese Verordnung bezweckt die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Insbesondere schützt sie sie vor Armut trotz Erwerbstätigkeit.
2 Zu diesem Zweck legt die Verordnung einen Mindestlohn auf dem Gebiet der Stadt Winterthur fest.
Art. 2 Allgemeines
Um allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu angemessenen Bedingungen durch ihre Arbeit zu bestreiten, gilt in der ganzen Stadt Winterthur ein Mindestlohn gemäss den Bestimmungen in dieser Verordnung.
Art. 3 Geltungsbereich
1 Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche auf dem Gebiet der Stadt Winterthur eine Beschäftigung verrichten.
2 Ausgenommen vom Mindestlohn sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche
lit. a) ein auf maximal zwölf Monate befristetes Praktikum mit Ausbildungscharakter absolvieren,
lit. b) jünger als achtzehn Jahre sind und in und während der Ferienzeit ihrer schulischen Hauptbeschäftigung eine Arbeit verrichten,
lit. c) als Lernende in anerkannten Lehrbetrieben arbeiten oder
lit. d) gemäss Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, SR 822.11) als Familienmitglieder in Familienbetrieben von den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind.
3 Der Stadtrat kann auf Gesuch der tripartiten Kommission «Mindestlohn» weitere Ausnahmen erlassen, insbesondere um die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Dabei ist der Zielsetzung des Mindestlohnes gemäss Art. 2 dieser Verordnung Rechnung zu tragen.
Art. 4 Höhe
1 Der Mindestlohn beträgt CHF 23 pro Stunde brutto.
2 Der Mindestlohn wird jährlich auf den 1. Januar eines jeden Jahres aufgrund des arithmetischen Mittels zwischen der Jahresteuerung gemäss dem Landesindex der Konsumentenpreise und der Nominallohnentwicklung angepasst, sofern das Mittel positiv ist. Basis des Indexes ist der Indexstand von November 2019.
3 Unter Lohn ist der massgebende Lohn im Sinne der Gesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) zu verstehen. Ferien und Feiertagsentschädigungen sind nicht einberechnet.
Die Sozialpartner und Sozialpartnerinnen erhalten eine Frist von einem Jahr ab Inkrafttreten dieser Verordnung, um die Lohnbestimmungen der Gesamtarbeitsverträge an die Mindestlohnbestimmungen dieser Verordnung anzupassen.
Art. 5 Kontrolle
1 Der Stadtrat ernennt eine tripartite Kommission «Mindestlohn». Diese Kommission setzt sich gleichmässig aus Vertretern und Vertreterinnen der Stadt, der Verbände der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen und den Gewerkschaften sowie weiteren Verbänden der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zusammen. Diese Kommission hat den Auftrag, die Durchsetzung des Mindestlohnes auf dem Gebiet der Stadt Winterthur wirksam zu kontrollieren. Die Kommission kann diese Kontrolle Dritten übertragen.
2 Das Kontrollorgan hat Zutritt zu den Arbeits- und Betriebsräumlichkeiten der zu kontrollierenden Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen. Dem Kontrollorgan sind alle für die Kontrolle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
3 Stellt das Kontrollorgan Verstösse fest, werden diese dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin und den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mitgeteilt und es orientiert sie über ihre Rechte und Pflichten.
4 Die Kosten für die Kontrollen trägt die Stadt. Werden Verstösse gegen diese Verordnung bei den Kontrollen festgestellt, können die Kosten den fehlbaren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen auferlegt werden.
5 Das Kontrollorgan erstattet dem Stadtrat jährlich Bericht über die Kontrolltätigkeit.
Art. 6 Bussen und Strafanzeigen
Das vom Stadtrat bezeichnete Amt spricht gegen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, welche gegen Bestimmungen dieser Verordnung verstossen, eine Busse im Rahmen der Strafbefugnisse des Stadtrates aus. In strafrechtlich relevanten Fällen bleibt eine zusätzliche Strafanzeige vorbehalten.
Das Kontrollorgan meIdet jeden Verstoss gegen diese Verordnung dem vom Stadtrat als zuständig bezeichneten Amt. Schwerwiegende und wiederholte Verstösse führen zum Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für die Dauer zwischen einem und fünf Jahren.
Art. 7 Ausführungsbestimmungen
Der Stadtrat erlässt die nötigen Ausführungsbestimmungen zu dieser Verordnung.
Art. 8 Inkrafttreten
Der Stadtrat setzt diese Verordnung in Kraft.
Initiativkomitee:
Andreas Daurù, Bahnstrasse 27, 8400 Winterthur; Renate Dürr, lbergstrasse 55, 8405 Winterthur; Manuel Sahli, Etzbergstrasse 19a, 8405 Winterthur; Mattea Meyer, Unterrütiweg 3, 8400 Winterthur; Peter Dennler, Frümselweg 3, 8400 Winterthur; Sandra Eisele, Ginsterweg 6, 8400 Winterthur.
Gegen diese Veröffentlichung kann innert fünf Tagen seit dem Erscheinungsdatum schriftlich, begründet und mit Antrag Stimmrechtsrekurs beim Bezirksrat Winterthur, Lindstrasse 8, 8400 Winterthur, erhoben werden.
18. Juni 2020
Stadtkanzlei Winterthur