Unrechtmässiger Sozialhilfebezug: Interne Fallrevision wirkt
Über 90 Prozent aller unrechtmässigen Sozialhilfebezüge wurden dank standardisierten internen Kontrollen und der Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden der Sozialen Dienste entdeckt. Im Jahr 2019 forderten die Sozialen Dienste in 302 Fällen Unterstützungsgelder zurück – bei total 4856 Fällen in der Sozialhilfe und Asylfürsorge.
Die Sozialen Dienste der Stadt Winterthur gehen konsequent, mehrstufig und mit effizientem Mitteleinsatz gegen unrechtmässigen Sozialhilfebezug vor und informieren seit Jahren transparent über die Anzahl der Rückforderungen und Strafanzeigen. 2017 wurde aufgrund einer vertieften Analyse eines Sozialhilfebetrugs Verbesserungspotential erkannt. Seither wurden verschiedene Massnahmen umgesetzt. So wurden beispielsweise die Prozesse optimiert, die Mitarbeitenden geschult und vor allem die interne Fallrevision intensiviert. Präventiv wirkt zudem die engere Begleitung der Sozialhilfebeziehenden durch Sozialarbeitende, wie sie dank der Senkung der Falllast möglich wurde.
Unabhängige Fallrevision wirkt
Unrechtmässige Bezüge werden grösstenteils durch die interne Revision oder die Sozialarbeitenden selbst aufgedeckt. Die interne Revision arbeitet unabhängig von den Sozialarbeitenden und überprüft jährlich jeden Sozialhilfefall (zuvor alle zwei Jahre). Diese Aufgabenteilung ist spezifisch für Winterthur und bewährt sich. Die Fallrevision kontrolliert standardmässig alle relevanten Angaben, unter anderen Wohn- und Steuerdaten, Bankauszüge, Motorfahrzeugregister und Auszüge aus dem individuellen AHV-Konto.
2019 wurden 302 Rückforderungen (Vorjahr: 284) gemäss Sozialhilfegesetz gestellt. Der Median lag bei 1428 Franken pro Rückforderung, d. h. die Hälfte der Fälle lag unter diesem Betrag. In diesem Bereich erfolgt in aller Regel keine Strafanzeige, ausser bei Betrug und im Wiederholungsfall. In 80 Fällen wurde eine Strafanzeige geprüft. 48 dieser Fälle wurden von der Fallrevision aufgedeckt (Vorjahr 28) und 25 von den Sozialarbeitenden (Vorjahr 32). 7 Hinweise stammten von Dritten. Zur Anzeige gebracht wurden 53 Fälle, einige sind noch pendent.
Mehrstufiges Vorgehen
Das rechtmässige Ausrichten der Sozialhilfe ist zentral für die Bedürftigen und für das System der sozialen Sicherung. Dazu gehört auch die Verhinderung von unrechtmässigem Bezug. Dies geschieht auf mehreren Ebenen, insbesondere auch vorbeugend durch klare Informationen, standardisierte Abklärungen und professionelles Personal. Bei konkretem Verdacht können die Sozialen Dienste auch die Stadtpolizei für Abklärungen beiziehen.
Gesetzliche Grundlagen1. Verwaltungsrecht: Unrechtmässiger Sozialhilfebezug (§ 26a SHG)Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen, zuständig: Soziale Dienste.
Konsequenz: Immer vollständige Rückforderung der unrechtmässig bezogenen Sozialhilfe.
2. StrafrechtStrafanzeige durch Soziale Dienste; Strafverfolgungsbehörden entscheiden.
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Weitere Informationen im Internet unter stadt.winterthur.ch
Fallvignetten von unrechtmässigem Sozialhilfebezug
Es handelt sich um konstruierte Fallbeispiele. Sie basieren auf mehrjähriger Erfahrung der internen Revision und kommen in der Realität so ähnlich vor.
Fall 1: Fallrevision deckt auf: Arbeit trotz Arztzeugnis
Klient K erhält seit Februar 2016 Sozialhilfe. Der Klient ist gemäss Arztzeugnis zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Mit der internen Fallrevision vom Februar 2019 wird festgestellt, dass im Jahr 2018 aus den Bankkontoauszügen unregelmässige Lohneinnahmen hervorgehen. Nach weiteren Abklärungen und der Anhörung des Klienten fordern die Sozialen Dienste unrechtmässige Sozialhilfebezüge in der Höhe von rund 4400 Franken zurück und reichen eine Strafanzeige ein. Die Staatsanwaltschaft bestraft den Klienten im Dezember 2019 wegen unrechtmässigem Bezug von Leistungen der Sozialhilfe mit einer Geldbusse von 500 Franken. Die offensichtliche Arbeitsfähigkeit des Klienten ist Basis der weiteren Arbeitsintegration.
Fall 2: Mehr als etwas auf dem Kerbholz
Herr und Frau X beziehen zusammen mit ihren drei Kindern seit Juni 2012 Sozialhilfe. Frau X spricht kaum Deutsch und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Herr X war bis 2014 Taxichauffeur, darf seither aber aufgrund von Verkehrsdelikten nicht mehr in seiner angestammten Tätigkeit arbeiten.
Auf Hinweis des Betreibungsamtes erhält die Sozialberatung Winterthur Kenntnis davon, dass sich noch weitere Personen in der Familienwohnung aufhalten sollen. Abklärungen der Stadtpolizei Winterthur bestätigen den Verdacht: Die Wohnung wird auch von zwei entfernten Verwandten der Familie genutzt, die in Winterthur nicht gemeldet sind. Aus dem Abklärungsbericht der Stadtpolizei geht auch hervor, dass Frau X einer Erwerbstätigkeit nachgehe, die gegenüber der Sozialberatung nicht gemeldet worden sei. Die Erwerbseinnahmen wurden auf ein Bankkonto überwiesen, von dem die Sozialberatung keine Kenntnis hatte. Aus diesem Konto gehen schliesslich Zahlungseingänge hervor, die Herr X als Chauffeur erzielt und ebenfalls nicht deklariert hatte.
Anlässlich der Gespräche mit Herrn X wird dieser gegenüber der Sozialarbeiterin laut und wirkt bedrohlich. Das Bedrohungsmanagement der Stadtpolizei wird informiert. In den anschliessenden Gesprächen ist jeweils die Polizei anwesend. Im März 2018 fordert die Sozialberatung unrechtmässig bezogene Sozialhilfe in der Höhe von 118 000 Franken zurück. Die Strafanzeige wird im Juli 2018 eingereicht.
Familie X muss aufgrund der anhaltenden Bedürftigkeit weiterhin unterstützt werden, wobei auch ein Beistand zum Schutz der Kinder beratend involviert ist.