Nach ETH-Bericht: Winterthur erwartet Bekenntnis des Bundes zu wichtigen Infrastrukturprojekten
Das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) hat seine grossen Infrastrukturprojekte für Schiene und Strasse durch die ETH Zürich überprüfen und priorisieren lassen. Der Bericht «Verkehr ‘45», der heute vorgestellt wurde, betrifft zentrale Projekte für Winterthur, darunter den Ausbau der Autobahn A1 auf sechs Spuren, den S-Bahn-Halt Grüze Nord und die SBB-Ausbauten in Oberwinterthur. Der Winterthurer Stadtrat zeigt sich alarmiert darüber, dass der Bericht die Wichtigkeit einzelner Massnahmen verkennt. Ein Verzicht auf die Haltestelle Grüze Nord und Verschiebung der sechsspurigen A1-Umfahrung auf die Zeit nach 2045 wäre ein grosser Fehler und würde die Stadtentwicklung in Winterthur entscheidend zurückwerfen.
Nach dem Volks-Nein zum Autobahnausbau vom 24. November 2024 kündigte das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) am 28. Januar 2025 an, dass sämtliche geplanten grossen Infrastrukturausbauprojekte durch die ETH Zürich überprüft und priorisiert werden sollen. Heute wurde der Bericht von Professor Ulrich Weidmann der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Bericht «Verkehr ‘45» spiegelt die fachliche Sicht der externen Expertengruppe. Er ist als Entscheidungshilfe gedacht. Konkrete daraus abgeleitete Bekenntnisse des Bundes zu einzelnen Projekten (oder eben: zu einem Verzicht oder einer zeitlichen Rückstufung) sind gemäss Bundesrat Albert Rösti nicht vor Anfang 2026 zu erwarten. Trotzdem stellt der Bericht einen wichtigen ersten Gradmesser für die Realisierungschancen von Grossprojekten auf Strasse und Schiene dar, die für die Stadt und Region Winterthur zentral sind.
A1-Ausbau nach 2045 bremst Entwicklung «Winterthur Süd» aus
Mit Besorgnis nimmt der Winterthurer Stadtrat zur Kenntnis, dass der Ausbau der A1 auf sechs Spuren im Raum Töss nur als Priorität 2 eingestuft wurde: sinnvoll, aber erst nach 2045 zu realisieren. Aus dem Bericht geht nicht klar hervor, ob es sich dabei um die von der Stadt favorisierte und im kantonalen Richtplan eingetragene Variante mit Ebnet-Tunnel bei Töss handelt. Diese Variante spielt in Töss grosse Verkehrsflächen frei für Arbeitsplatz- und Wohnnutzungen, entlastet Tausende Menschen von Lärm und ermöglicht eine Renaturierung der Töss. Zudem gibt es grosse Synergien mit einem künftigen S-Bahn-Halt an der Strecke nach Zürich. Die Alternative, eine weitere Verbreiterung der bestehenden Autobahn mitten im Siedlungsgebiet, ist aus Winterthurer Sicht nicht stadtverträglich. Die Verzögerung, wie vom ETH-Bericht empfohlen, bremst die Winterthurer Stadtentwicklung empfindlich aus.
Verzicht auf Grüze Nord wäre ein Fehler
Dem Stadtrat ist weiter völlig unverständlich, dass der ETH-Bericht die hohe Zweckmässigkeit des Bahnhofes Grüze Nord nicht bestätigt, sondern diesem die tiefste Prioritätsstufe 6 attestiert. 2019 konnte der Stadtrat zusammen mit dem Regierungsrat das eidgenössische Parlament überzeugen, dass Grüze Nord in den «Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2035 der Eisenbahninfrastruktur» aufgenommen werden sollte. Begründet wurde der Bahnhof Grüze Nord schon damals mit dem absehbaren grossen Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstum im Umfeld Grüze. Zudem kann die im Bau befindliche Leonie-Moser-Brücke ihre volle Funktionalität ohne Grüze Nord nicht leisten. Der Stadtrat hofft, dass die tiefe Einstufung des Projekts sich nicht auf dessen Zweckmässigkeit bezieht, sondern lediglich der noch nicht vorliegenden bahnseitigen Planung des Projekts geschuldet ist. Der Stadtrat wird sich weiterhin in allen Gremien für Grüze Nord einsetzen.
Mit Bedauern wird zudem festgestellt, dass der Bericht den Ausbau und die Modernisierung des Bahnhofs Oberwinterthur als wenig prioritär einstuft (Stufe 4: plausibler Bedarf aber es sind alternative, kostengünstigere Lösungsansätze zu suchen). Die Investitionen in den Bahnhof und die Gleisanlage sind eine Voraussetzung für die Gebietsentwicklung im Rahmen des «Masterplans Bahnhof Oberwinterthur» (Medienmitteilung vom 9. Oktober 2023). Das Gebiet um den Bahnhof Oberwinterthur ist einer von sechs Schwerpunkträumen, in denen Winterthur besonders stark wachsen kann.
Die Politik muss jetzt für Winterthurer Projekte einstehen
Die Wichtigkeit der genannten Projekte ist für die gesamte Stadtentwicklung in Winterthur immens. Der Winterthurer Stadtrat ist besorgt darüber, dass die ETH-Fachleute unter Professor Ulrich Weidmann dies nicht im vollen Ausmass erkannt haben. Er zählt nun auf die Verwaltung und Politik, dennoch die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Winterthurer Projekte voranzutreiben. Die Winterthurer und Kantonszürcher Politiker:innen in Bern werden besonders gefordert sein, hier noch Überzeugungsarbeit zu leisten.
Das Projekt «Mehrspur Zürich-Winterthur» (MSZW) mit dem Brüttener Tunnel, dessen Finanzierung bereits gesichert ist und das darum nicht untersucht wurde, ist ein Beispiel, wie konstruktiv und eng die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bundesämtern verlaufen kann.
Der Bericht «Verkehr ‘45» kann auf der Website des Bundesamts für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation uvek.admin.ch heruntergeladen werden.