Langfristige Entwicklung des Bahnhofs Winterthur: Erste Erkenntnisse aus der laufenden Planung
Der Hauptbahnhof Winterthur genügt den Verkehrsanforderungen, die in den kommenden Jahrzehnten gemäss heutigen Prognosen weiter wachsen werden, nicht mehr. Darum untersuchen die SBB und die Stadt Winterthur derzeit gemeinsam die verschiedenen Ausbauvarianten. Die Entwicklungsplanung für den Bahnhof soll die Bedürfnisse von Bahn und Stadtraum gleichermassen berücksichtigen. Nun liegen erste Zwischenergebnisse der Vertiefungsstudien vor.
Heute steigen im Bahnhof Winterthur täglich rund 120 000 Reisende ein und aus. In den nächsten dreissig Jahren wird sich diese Zahl auf gegen 180 000 Reisende pro Tag erhöhen, wie die Verkehrsprognosen der SBB zeigen. Die grossen laufenden Bauvorhaben im Umfeld des Bahnhofs (Lokstadt, ZHAW, Kantonsspital, Stellwerk 2 etc.) bestätigen diesen Trend. Damit dieses Wachstum bewältigt werden kann, wird das Bahnangebot in Etappen weiter erhöht, zum Beispiel mit dem Bau des Brüttenertunnels. Der aktuelle Ausbau der Personenunterführung Nord bis 2021 ist ein erster wichtiger Schritt, um Komfort und Kapazität für die wachsende Anzahl Reisender am Bahnhof sicherstellen zu können. Um mit dem weiteren Wachstum Schritt halten zu können, müssen voraussichtlich in zwanzig bis dreissig Jahren die Perrons 6/7 und 8/9 verbreitert werden und es sind zusätzliche Gleise erforderlich.
Aus diesen Gründen entwickeln die SBB und die Stadt Winterthur gemeinsam ein Ausbaukonzept für die langfristige Weiterentwicklung des Bahnhofs und seiner Umgebung. Für diesen kooperativen Planungsprozess haben der Stadtrat und die SBB eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Das Konzept soll sowohl die bahnbetrieblichen und verkehrlichen Bedürfnisse berücksichtigen als auch städtebaulich überzeugen. Dabei wird das bereits in den neunziger Jahren formulierte Leiterkonzept, mit dem die Längs- und Querverbindungen zum Bahnhof gestärkt werden sollen, neu aufgegriffen und weiterentwickelt.
Die Entwicklungsplanung wird von einer breit abgestützten Begleitgruppe von SBB, Stadt und Fachleuten des Kantons und des Bundes begleitet. Sie wurde Anfang 2019 gestartet und dauert voraussichtlich bis im ersten Halbjahr 2021. Die Stadt wird dabei von einem externen Planungsteam unterstützt. Nun liegen erste Zwischenergebnisse vor.
Alle zielführenden Ausbauvarianten werden untersucht
Die 2018 abgeschlossene Testplanung zum Gleisraum im Stadtzentrum hat verschiedene Stossrichtungen für den Bahnhofsausbau aufgezeigt. Fachleute der SBB, der Stadt, des
Kantons und des Bundes haben die Ausbauvarianten verfeinert. Nun bildet der Variantenfächer alle zielführenden Möglichkeiten ab. Die zu untersuchenden Varianten bestehen aus drei Hauptgruppen mit sechs, sieben oder acht durchgehenden ebenerdigen Gleisen.
- Die sechsgleisigen Varianten haben den schmalsten Bahnhofquerschnitt, bedingen aber einen ergänzenden Hoch- oder Tiefbahnhof mit vier Gleisen.
- Die siebengleisigen Varianten weisen bedingt durch die notwendigen Perronverbreiterungen der Gleise 6/7 und 8/9 einen grösseren Querschnitt aus als heute. Sie sind nur in Kombination mit einem langfristigen Wendebahnhof (beim Güterschuppen Vogelsang oder in Hoch- oder Tieflage beim bestehenden Bahnhof) oder mit einem zweigleisigen Durchgangsbahnhof in Hoch- oder Tieflage für die Schaffhauserlinie möglich.
- Die achtgleisigen Varianten haben den breitesten Querschnitt und sind nur mit starken Eingriffen möglich, entweder auf Seite Rudolfstrasse oder auf Seite Bahnhofplatz.
Für die Bewertung der Varianten haben die SBB und die Stadt gemeinsam einen umfassenden Kriterienkatalog formuliert. Damit die Bewertung auf fundierten Grundlagen basiert, wurden verschiedene Themenfelder vertiefter untersucht.
Vertiefungsstudien liefern notwendige Erkenntnisse
So besagt eine Untersuchung im Auftrag der SBB, dass Varianten mit einem Tiefbahnhof trotz gewässerschutzrechtlicher Bedenken (Grundwasser) weiterhin in der Varianten-Evaluation mitberücksichtigt werden können. Eine andere Vertiefungsstudie zum historischen Bahnhofgebäude hat gezeigt, dass eine Durchfahrt durch das Gebäude mit einem neuen Gleis aus baulicher und statischer Sicht zwar möglich ist, es jedoch in grundlegendem Konflikt mit dem Denkmalschutz steht.
Bei allen Ausbauszenarien müssen während den Bauarbeiten vorübergehend Durchgangsgleise gesperrt werden. Deshalb wird immer ein provisorischer Wendebahnhof im Areal Vogelsang Nord benötigt. Eine von der Stadt betreute Vertiefungsstudie zeigt ein hohes städtebauliches Potenzial (Hochbau über den Wendebahnhof in Kombination mit einer neuen Gleisquerung zum Sulzerareal) für das Areal Vogelsang Nord. Die denkmalgeschützte Gebäudezeile Salzhaus kann gemäss dieser Studie erhalten bleiben.
Die Vertiefungsstudien zeigen ebenfalls, dass die Rudolfstrasse bei einer Verschmälerung nicht mehr alle heutigen Funktionen übernehmen kann. Um die Rudolfstrasse zumindest teilweise zu entlasten, wird daher unter anderem das Potenzial von neuen Kopfzugängen für eine möglichst kurze Anbindung von Sulzerareal, Vogelsang und Heiligberg an die Personenunterführung Süd untersucht.
Ebenfalls zeigen die Vertiefungsstudien, dass das heutige Parkdeck mit den langfristig notwendigen Perronverbreiterungen und Gleisverschiebungen nicht bestehen bleiben kann. Als Ersatz werden dezentrale Parkierungslösungen angedacht und eine noch stärkere Priorisierung des Stadtzentrums über den ÖV, den Fuss- und den Veloverkehr. Die Bedürfnisse von Taxis und Car-Sharing werden dabei berücksichtigt. Und für Stadtbus werden verschiedene Szenarien für die künftige Lage der Haltestellen am Bahnhof vertieft untersucht.
Bestvariante wird im ersten Halbjahr 2021 ermittelt
Zurzeit werden alle möglichen Ausbauvarianten aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse umfassend bewertet. Bis Frühjahr 2021 legen Stadt und SBB die Bestvariante fest, arbeiten deren Zwischenzustände aus und präsentieren das Ergebnis anschliessend der Öffentlichkeit.