Nationale Aktionstage Behindertenrechte 2024
Living Library – Lebend(ig)e Bibliothek
Vom 15. Mai bis 15. Juni 2024 finden schweizweit die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte statt. Die Winterthurer Bibliotheken beteiligen sich mit einer Aktion und laden Sie zu einer «Living Library - Lebend(ig)en Bibliothek» ein.
In einer Lebend(ig)en Bibliothek werden keine Bücher ausgeliehen, sondern Menschen, die im Gespräch aus ihrer persönlichen Geschichte berichten. Kommen Sie am 8. Juni 2024 in die Stadtbibliothek Winterthur und leihen Sie ein lebendes Buch aus.
So funktioniert es
Die «lebenden Bücher» stellen sich während 30 Minuten für ein Einzelgespräch zur Verfügung. Die Leser:innen können den lebenden Büchern Fragen stellen und diese erzählen aus ihrem Leben, Alltag und ihrer ganz eigenen Geschichte. Auch die lebenden Bücher können Fragen stellen und so selbst etwas lernen.
Pro Person kann max. 1 lebendes Buch reserviert werden. Bitte kommen Sie 5 Minuten vor Gesprächsbeginn ins Erdgeschoss der Stadtbibliothek. Freie Bücher können auch noch am 8. Juni vor Ort reserviert werden.
Reservation des gewünschten Buches und der Gesprächszeit per E-Mail oder telefonisch.
Unsere lebenden Bücher
Der Weg ist ab und zu ein Hören-Sagen
Zeit: 11 Uhr / 11.40 Uhr / 13 Uhr / 13.40 Uhr
Der Weg beginnt ganz bürgerlich behütet in Zürich-Höngg. Sehen ist nicht die Kernkompetenz dieses lebenden Buches. Dafür sind alle anderen Sinne gut geschärft. Nach der Matura führt der Weg zum Fuss der Anden. Es folgt soziales Engagement und das Studium. Die Arbeit im öffentlichen Gesundheitswesen in Chile als nächster Schritt. Kleine Wegbegleiter:innen vervollständigen die zweisprachige Familie, die sich nun in der Schweiz niederlässt. Integration als Schweizerin? Eine sehr herausfordernde Wegstrecke. Aber Glück muss auch sein und so gelingt der Einstieg und letztlich die Karriere bis nach Winterthur.
Als Konstante zieht sich die Liebe zu Geschichten und der Sprache wie ein roter Faden durch den Lebensmäander. Und die Musik: Bis heute ist sie leidenschaftliche Sängerin und Bandleaderin. «Geht nicht, gibt's (fast) nicht»: Das ist ihr Lebensmotto.
Schwerhörigkeit als Möglichkeit sehen
Zeit: 11.40 Uhr / 13 Uhr / 13.40 Uhr
Mit 3½ Jahren wird die hochgradige Schwerhörigkeit festgestellt. Seine Kindheit ist ausgefüllt mit Hörtrainings, dem Erlernen der Sprache sowie dem richtigen Aussprechen der einzelnen Buchstaben und Wörter. Seine Schulkarriere in Sonderschulen und in einem Internat ist geprägt von Misserfolgen, vom Wiederholen von Klassen bis hin zur gestellten Diagnose der Vermittlungsunfähigkeit.
Während der Buchhändlerlehre im familieneigenen Betrieb wächst sein Selbstbewusstsein und er verfolgt bewusst und auf Umwegen seinen Wunsch nach einem unabhängigen Leben in einer «hörenden» Welt – finanziell und als selbstbestimmter Mensch mit einer starken Hörschwäche.
bittersüess
Zeit: 11 Uhr / 11.40 Uhr / 13 Uhr / 13.40 Uhr
«Bittersüess» – schon früh war das eines ihrer Lieblingsworte und heute findet sie, dass es ihr Leben ziemlich gut beschreibt. Wie bei vielen Menschen ist ihre psychische Behinderung auf den ersten Blick nicht sofort sichtbar. Ihre körperliche Behinderung schon eher. Ihr Anliegen ist, dass psychische Erkrankungen in der Gesellschaft sichtbarer gemacht werden. Darum spricht sie offen über ihre ganz eigene Geschichte und ihre Erlebnisse: Wie es ist, einen Suizidversuch überlebt zu haben, sowohl mit körperlichen als auch psychischen Behinderungen zu leben oder welche Erfahrungen sie in psychiatrischen Einrichtungen gemacht hat. Sie setzt sich aktiv für Suizidprävention und Inklusion ein. Dabei lädt sie andere ein, ihr Fragen zu stellen und so mit ihr ins Gespräch zu kommen.
Dass sie selbst eine Betroffene ist, macht ihre Geschichte besonders kraftvoll. Gleichzeitig steht sie dadurch vor einer Herausforderung, denn obwohl sie sich für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung einsetzt, möchte sie selbst manchmal am liebsten unsichtbar bleiben.
* Dieses Buch kann auch auf Englisch und Französisch ausgeliehen werden.
Ich bi en beschäftigte Maa
Zeit: 11 Uhr
Der grosse Wille zur Selbständigkeit steht bei der Alltags- und Freizeitplanung dieses lebenden Buches im Zentrum. An fünf Tagen pro Woche arbeitstätig, aktiv in der Freizeit und oft unterwegs auf Ausflügen übers Wochenende, wohnt er in einer punktuell betreuten Aussenwohngruppe in Winterthur und ist ein vielbeschäftigter Mann.
Möglichst selbständig zu leben bedeutet für ihn, sorgfältig und vorausschauend zu planen. Mit der Zeit hat er gelernt, dass er nicht sieben Sachen gleichzeitig machen kann und es manchmal besser ist, geduldig zu sein und sich Hilfe zu holen. Seine Grenzen und mögliche Risiken kennt er gut. Es heisst also, die Balance zu finden: Zwischen dem Wunsch, ein selbständiges Leben zu führen, dabei möglichst rasch voranzukommen und die Herausforderungen im Alltag mit Unterstützung zu meistern.
Der unsichtbare Begleiter
11 Uhr / 11.40 Uhr / 13 Uhr / 13.40 Uhr
Eine Diagnose ändert alles. Mit Mitte Zwanzig zerplatzen Hoffnungen und Träume, das unbeschwerte Leben der jungen Frau ist vorbei. Das zu akzeptieren, wird viele Jahre dauern. Seither sind zehn Jahre vergangen, 2024 feiert sie quasi ein Jubiläum mit ihrem steten Begleiter. Der gekommen ist, um zu bleiben. Einer, der viele Gesichter und immer das letzte Wort hat. Kaum ein Tag ist wie der andere, man kommt einfach nicht zur Ruhe mit ihm. Das Merkwürdigste daran: Man sieht es ihr nicht an. Ihr Begleiter ist unsichtbar.
Dass sie ihre Einschränkungen meist gut verstecken kann, ist für sie zugleich Fluch und Segen. Sie ist sich bewusst, dass Menschen mit Einschränkungen nicht immer positive Reaktionen erhalten. Dass ihr Chancen verwehrt werden oder sie bemitleidet wird. Dabei möchte sie – wie wohl die meisten ihrer Mitstreiter:innen mit Einschränkungen – als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft verstanden werden. Dass sie ihren Begleiter (noch) nicht allen vorstellen muss, sieht sie meist als Vorteil. Darum entscheidet sie sich für ein «Versteckspiel», auch wenn es sie zuweilen anstrengt und einsam macht. Mit ihrem Begleiter, der immer da ist, hat sie sich mittlerweile angefreundet.