Mein Schwarm
Seit einigen Jahren wohne ich in Winterthur und nutze regelmässig den Stadtbus Nr. 7, um von «Else Züblin» in die Stadt zu gelangen. Nach der stressigen Weihnachts-/Neujahrszeit hatte ich diesen Januar etwas Mühe, wieder in meinen gewohnten Rhythmus zu kommen, so verpasste ich einige Male meinen Standard-Bus. In der etwas späteren Verbindung fiel mir jeweils ein junger Mann auf, welcher ganz ernst, fast schon etwas böse vor sich hinstarrte. Je mehr ich ihn beobachten konnte, desto interessanter fand ich ihn. Im Büro gab ich einige Zeit später bekannt, von nun an 15 Minuten später mit der Arbeit zu starten. Ich überlegte hin und her, wie ich den ernsten Anzugträger ansprechen könnte. Eines Morgens konnte ich mich neben ihn setzen. Er lächelte und fragte, ob ich genügend Platz habe. Ich nickte verlegen – beim Anblick seines Lächelns war ich sprachlos. Ab diesem Tag begrüssten wir uns jeden Morgen. Sein ernster Gesichtsausdruck schwand, sobald ich den Bus betrat. Es folgte ein tägliches Update für meine Arbeitskolleginnen, bei welchen ich von Beginn an schwärmte. Einige Tage später war der Platz neben meinem Schwarm wie so oft besetzt. Beim Aussteigen am Hauptbahnhof nahm er allen Mut zusammen, wandte sich mir zu und versicherte mir, am nächsten Tag den Platz neben sich für mich frei zu halten. Das Eis war gebrochen! Wir lernten uns kennen und lieben. Heute betreten wir den Bus gemeinsam als Paar.
Autor: Anonym
September 2020