StWW sollen eine AG werden
Mit 29 zu 28 Stimmen hat der Gemeinderat gestern beschlossen, auf die Vorlage der Verselbstständigung der Städtischen Werke einzutreten. Dem Entscheid ist eine vierstündige Diskussion vorausgegangen.
MASSIMO DIANA
Die Vorlage, über die gestern im Gemeinderat so ausführlich debattiert wurde, gehört zweifellos zu den wichtigsten der vergangenen Jahre: Die Städtischen Werke Winterthur (StWW) sollen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, deren Aktien - zumindest in einer ersten Phase - zu 100 Prozent im Besitz der Stadt bleiben. Strom-, Gas-, Fernwärmeversorgung, Energie-Contracting und die Kehrichtverbrennung sollen in die neue AG mit 50 Millionen Franken Aktienkapital eingebracht werden. Wasserversorgung, Kläranlage und öffentliche Beleuchtung sollen unter der Regie der Stadtverwaltung verbleiben.
Wer soll die Netze besitzen?
Gleich zu Beginn der Debatte stellte Jorge Serra im Namen der SP-Fraktion den Antrag, das gesamte Geschäft an den Stadtrat zurückzuweisen. Grund für den Rückweisungsantrag war die Absicht des Stadtrats, das gesamte Strom-, Gas- und Fernwärmenetz in die neu zu gründende AG einzubringen. Dies gehe der SP zu weit, erklärte Serra. Wohl sollen auch aus Sicht der SP der Handel mit verschiedenen Energieträgern einer AG übertragen werden. Doch die Versorgungsinfrastruktur müsse, weil es nur eine davon gebe, unter der direkten Kontrolle der Stadt und ihrer demokratisch gewählten Gremien bleiben. Diese demokratische Kontrolle entfalle, wenn das Versorgungsnetz zusammen mit dem Energiehandel privatisiert werde, argumentierte Serra. Denn eine AG, die eines Tages möglicherweise nicht mehr zu 100 Prozent der Stadt gehören werde, müsse sich auf ihre Rentabilität ausrichten, was sich nicht immer mit den Interessen der Allgemeinheit decke.
Walter Bossert (sp) gab zu bedenken, dass die StWW mehr wert seien, als der Stadtrat in seiner Vorlage veranschlagt habe. Die Exekutive habe den Ertragswert der StWW mit 166 Millionen Franken beziffert. Dem stellte Bossert eine eigene Schätzung gegenüber, die von einem Ertragswert von 250 bis 300 Millionen Franken ausgeht. Damit sei das zu gründende Unternehmen klar unterbewertet, was bei anderen Energieunternehmen Übernahmegelüste erzeugen werde. Ausserdem rief Bossert in Erinnerung, dass die StWW heute jährlich 8 bis 10 Millionen Franken aus ihren Einkünften in die Stadtkasse abliefern. Dieser finanzielle Zustupf würde bei einer Verselbstständigung der StWW in der Stadtkasse fehlen.
Grössere Flexibilität
Dieter Kläy (fdp) stellte die Vorteile der StWW-Verselbstständigung in den Vordergrund: Als AG können die StWW schneller auf die Kundenwünsche reagieren, beispielsweise bei der Tarifgestaltung, die nicht jedes Mal vom Gemeinderat abgesegnet werden müsste. Die demokratische Kontrolle sei trotzdem gewährleistet, weil die Aktien im Besitz der Stadt bleiben. Ein Verkauf der Aktien sei überdies nur mit Zustimmung des Gemeinderats möglich, betonte Kläy. Ausserdem werde die Stadt im Verwaltungsrat der AG mit zwei von sieben Sitzen vertreten sein. Dank der Verselbstständigung könne die Existenz der StWW auch für die Zukunft gesichert werden. Der Übernahme des Leitungsnetzes durch die AG sei sinnvoll, damit diese auch über die notwendigen «Verteilkanäle» für die Energie verfüge. Markus Hutter (fdp) fügte dem hinzu, dass die künftige StWW AG nicht nur vom Stromverkauf leben könne. Deshalb sei die Verselbstständigung von Gas, Fernwärme und Kehrichtverbrennung ebenfalls zu begrüssen. Haymo Empl (cvp) stufte den stadträtlichen Antrag als gute Kompromisslösung zwischen den extremen Forderungen nach vollkommener Liberalisierung und Beibehaltung des staatlichen Monopols ein.
Der Rückweisungsantrag der SP wurde von den Grünen und einem Teil der in dieser Frage gespaltenen EVP unterstützt. Für eine Ablehnung machten sich hingegen FDP, SVP, CVP, EDU und ein Teil der EVP stark. Nach vierstündiger Diskussion fiel schliesslich die äusserst knappe Entscheidung: Mit 29 zu 28 Stimmen votierte der Rat für Eintreten auf die Vorlage.