Kopfbereich

Direkter Zugriff

Willkommen in Winterthur.

Hauptnavigation

StWW-Abstimmung aufgeschoben

12.07.2001
Landbote vom 12.7.2001

STADTRAT WARTET EMG-ENTSCHEID AUF NATIONALER EBENE AB

Der Stadtrat will mit der Volksabstimmung über eine Verselbstständigung der Städtischen Werke Winterthur zuwarten, bis über das eidgenössische Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) entschieden ist.

ANDRI BRYNER

Als der Stadtrat im Sommer 2000 die Ausgliederung der Städtischen Werke, StWW, in eine AG beschlossen hatte, ging man noch von einer Öffnung des Strommarktes auf Anfang oder Mitte 2001 aus. Dieses Jahr, zum Zeitpunkt des Parlamentsbeschlusses Ende Februar, schien eine In-Kraft-Setzung der neuen Spielregeln auf nationaler Ebene per 1. Januar 2002 realistisch. Doch nun hat der Bundesrat die EMG-Abstimmung auf 2002 verschoben - ein Termin ist noch nicht festgelegt. Darum soll auch in Winterthur zugewartet werden, mit der Volksabstimmung über die Stadtwerke AG. Es sei richtig, erst dann über die neue Organisationsform der Städtischen Werke abzustimmen, wenn die übergeordneten Rahmenbedingungen für die Öffnung des Strommarktes definitiv geklärt seien, begründet der Stadtrat seinen Entscheid. Sollte das EMG scheitern, werde der Stadtrat die Situation grundlegend überprüfen. «Das ist ein rein sachlicher Entscheid, kein politischer», sagt Werkvorstand Leo Iten (svp). Auch das Nein des Zürcher Stimmvolks zur Privatisierung des kantonalen Elektrizitätswerkes EKZ habe dabei keine Rolle gespielt.

Verträge extern prüfen lassen

Mit dem gestrigen Beschluss hat der Stadtrat auch über die Prüfung der Verträge orientiert. Auf Grund der Kritik von alt Bundesrichter Karl Spühler (svp) an der Konkurstauglichkeit der StWW-Verträge, eingebracht von der SP, ist der emeritierte Rechtsprofessor Hans Ulrich Walder beauftragt worden, die Verträge zu prüfen. Unter den bekannten Voraussetzungen - gemäss Iten gehört auch dazu, dass 100 Prozent der Aktien in Stadtbesitz sind - seien keine Änderungen nötig, kommt Walder zum Schluss. Iten räumt jedoch ein, dass die Diskussion über die konkursrechtlichen Aspekte von Ausgliederungen noch nicht abgeschlossen ist. Weil sie auch in anderen Gemeinden geführt werde, sei es aber sinnvoll, die Frage auf nationaler Ebene zu lösen. Ziel müsse sein, die Kundschaft bei einem allfälligen Konkurs eines Versorgers nicht «allein den Marktmechanismen zu überlassen». Einbringen werde der Stadtrat dieses Anliegen in der Vernehmlassung zur Elektrizitätsmarktverordnung.

SP: «Angst vor dem Stimmvolk»

An diesem Punkt hängt der vehementeste Kritiker von Itens Plänen ein: Dass neben dem EMG bereits von neuen Sicherungen die Rede sei, sagt SP-Gemeinderat und Gewerkschafter Jorge Serra, sei ja gerade der Beweis, dass Strom für einen liberalisierten Mark nicht geeignet sei. Den Kunden würden Vorteile der Liberalisierung vorgegaukelt, «von wahren Bedürfnissen spricht niemand». Mit dem Entscheid, die Abstimmung zu verschieben, zeige der Stadtrat, dass er Angst vor dem Stimmvolk habe, schreibt Serra in einer Stellungnahme der SP-Fraktion. Nicht das EMG, sondern die verlorene Abstimmung über die Privatisierung der Elektrizitätswerke des Kantons und der überdurchschnittliche Neinanteil in Winterthur seien die wahren Gründe für den Entscheid. Nun solle die StWW-Verselbstständigung abgeblasen werden.

Keinen Abbruch des Geschäfts, aber eine Neuorientierung erhofft sich die Präsidentin des Personalverbandes (PVW) der Stadt, Maja Rhyner. Der traditionell bürgerlich orientierte PVW lehnt die Verselbstständigung ab. Es sei aber unbestritten, dass die Werke mehr Kompetenzen und kürzere Entscheidungswege nötig hätten, sagt Rhyner. Jetzt seien die Juristen gefragt, rasch Lösungen zu präsentieren, wie die StWW als städtischer Betrieb geführt werden könnten. Die Zeit des Wartens sei für die Mitarbeitenden schwierig.

FDP: «Demokratisch legitim»

Andreas Hiltbrunner, von der «Aktion Mitarbeitende pro Verselbstständigung», teilt Rhyners Ansicht nur im letzten Punkt. Je länger die Unsicherheit anhalte, umso grösser sei die Gefahr, gute Mitarbeitende zu verlieren. Den Entscheid des Stadtrates bezeichnet Hiltbrunner als «vernünftig aber schade». Man habe sich schon darauf gefreut, mit der neuen Firma gleich lange Spiesse zu erhalten wie die Konkurrenz. Die FDP ist zufrieden mit dem Beschluss. «Wir haben auch Juristen in der Partei», sagt Fraktionspräsidentin Ursula Künsch, und diese hätten es als demokratisch legitim bezeichnet, erst dann abzustimmen, wenn Klarheit über das EMG herrsche. Die FDP nimmt ausserdem «befriedigt davon Kenntnis», dass keine Anpassung der Verträge erforderlich sei.

Es gibt keine Fristen

In einer Mammutsitzung bis kurz vor Mitternacht hat das Parlament die Ausgliederungsvorlage dieses Jahr am 26. Februar «zuhanden der Volksabstimmung» verabschiedet. Allgemein wurde erwartet, dass umgehend die Abstimmungszeitung gedruckt und die Stimmcouverts versandt würden. Üblicherweise bringe der Stadtrat einen Beschluss am nächstmöglichen Termin vors Volk, sagt Stadtschreiber Arthur Frauenfelder. Der Ermessensspielraum zum Festlegen eines Abstimmungstermins sei jedoch erheblich. Eine gesetzlich vorgeschriebene Frist, innert der ein Parlamentsbeschluss dem Volk vorgelegt werden müsse, gebe es nicht. Die Verschiebung der EMG-Abstimmung auf Bundesebene habe «eine relativ grosszügige Verschiebung» in Winterthur erzwungen.

Fusszeile