Ja zur Ausgliederung der Städtischen Werke
Winterthurer Stadtparlament genehmigte Vorlage deutlich
Der Grosse Gemeinderat Winterthur hat der Verselbständigung eines Teils der Städtischen Werke am Montag zugestimmt. Ein Rückweisungsantrag der SP wurde mit äusserst knapper Mehrheit abgelehnt. Die Bürgerlichen sprachen sich geschlossen für die Ausgliederung aus, SP und Grüne lehnten sie ab.
em. Zur Debatte stand im Winterthurer Parlament die Ausgliederung der fünf Geschäftsfelder Elektrizität, Gas, Fernwärme, Kehrichtverbrennung und Energie-Contracting aus den Städtischen Werken und ihre Umwandlung in eine gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft (NZZ vom 19. 2. 01). Nicht betroffen sind die Wasserversorgung und die Kläranlage. Die Geschäftsprüfungskommission hatte verschiedene Änderungen beantragt, die der Stadtrat unterstützt. So soll der Verkauf der Aktienmehrheit nicht dem fakultativen, sondern dem obligatorischen Referendum unterstehen und der Leistungsauftrag der AG nicht durch den Stadtrat, sondern durch das Parlament festgelegt werden müssen.
Rückweisungsantrag der SP-Fraktion
In der Ratssitzung stellte die SP-Fraktion einen Rückweisungsantrag. Sie machte unter anderem geltend, dass die über Generationen aufgebauten Verteilnetze, also die Infrastruktur, der demokratischen Kontrolle nicht entzogen werden dürften. Dies auch deshalb, weil das Aktienkapital früher oder später an Private übergehe und dann der Service public gefährdet sei. Gegen eine Privatisierung des Strom- und Gashandels sowie des Bereichs Energie-Contracting, die in den nächsten Jahren mit anderen Anbietern konkurrieren müssten, habe die Partei dagegen nichts einzuwenden.
Wert der Werke zu niedrig angesetzt?
Nach Ansicht der Sozialdemokraten ist die Vorlage auch aus Kostengründen abzulehnen. So sei der Wert der Anlagen, welche die Stadt in die AG überführen wolle, mit 166 Millionen Franken viel zu niedrig angesetzt. Dieser Wert basiere auf den zu erwartenden Erträgen und betrage nur einen Bruchteil des Zeitwerts. Sowohl für die Konsumenten als auch für die Angestellten der Werke sei eine Privatisierung eine schlechte Lösung, meinte die SP. Unterstützt wurden die Sozialdemokraten von der GP/DaP-Fraktion. Deren Sprecherin bezeichnete die Vorlage als eine von ideologischen Vorstellungen geleitete Zangengeburt. Die Konsequenzen der Verselbständigung seien nicht absehbar. So gebe es keine Überlegungen, was bei einem Konkurs der neuen Gesellschaft geschehe.
Die FDP-Fraktion sprach sich demgegenüber vorbehaltlos für die Vorlage aus. Mit der Verselbständigung könnten sich die Werke zielgerichtet auf die Herausforderungen des liberalisierten Energiemarktes vorbereiten. Die grössere Flexibilität des vorerst im Eigentum der Stadt bleibenden Unternehmens ermögliche es, die 300 Arbeitsplätze zu sichern und optimale Bedingungen für die Zukunft zu schaffen. Dieser Handlungsspielraum sei wichtig, um im künftigen Konkurrenzkampf bestehen zu können.
Ein sinnvoller Kompromiss
Auch die CVP zeigte sich von der beantragten Lösung befriedigt. Die Liberalisierung und die Globalisierung seien eine Tatsache. Es gelte, die entsprechenden Chancen zu nutzen. Die vorliegenden Verträge böten Gewähr dafür, dass die Werke auch in Zukunft erfolgreich bestehen könnten. Die SVP bezeichnete die Vorlage als sinnvollen Kompromiss. Die Werke hätten nur dann eine Überlebenschance, wenn sie künftig die gleichen Voraussetzungen wie die Konkurrenz hätten. Geteilt waren die Meinungen bei der EVP, bei der eine Mehrheit der Verselbständigung zustimmte. Der Rückweisungsantrag der SP wurde in der Folge äusserst knapp mit 29 zu 28 Stimmen abgelehnt. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage nach einer über fünf Stunden dauernden Debatte mit 31 gegen 22 Stimmen angenommen. Für die Ausgliederung votierten FDP, SVP, CVP und einige kleine Parteien, dagegen sprachen sich SP und GP aus. Über die Vorlage und die erforderliche Änderung der Gemeindeordnung werden die Stimmberechtigten voraussichtlich im September befinden können.
Das Aktienkapital von 50 Millionen Franken soll gemäss der Vorlage vorerst zu 100 Prozent im Besitz der Stadt bleiben. Der Stadtrat wird die Generalversammlung der AG bilden und mit zwei Mitgliedern im siebenköpfigen Verwaltungsrat vertreten sein. Die Verselbständigung der Werke ist auf Anfang 2002 geplant.
Neue Zürcher Zeitung, Ressort Zürich und Region, 27. Februar 2001, Nr.48, Seite 44